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Quatsch!

 

Meine Mutter war neun Jahre alt, als in Brilon die Synagoge abgefackelt wurde. Am Morgen danach wollte sie wie immer ihre Schulfreundin abholen, die an der Kreuziger Mauer direkt gegenüber vom jüdischen Gotteshaus wohnte.

 

Jetzt waren da nur noch Mauerreste, zwischen denen noch Balken und Bretter kokelten. Die Freundin war sehr still, und erst als die beiden aus Sichtweite des elterlichen Hauses waren, flüsterte sie „Gestern Nacht waren ein paar SA-Leute aus der Nachbarschaft bei uns und haben sich Heu geholt, weil die Synagoge nicht schnell genug in Flammen stand. Vater sagt, wir dürfen das auf keinen Fall erzählen, sonst werden wir abgeholt und kommen ins KZ.“

 

Diese Geschichte bekamen alle von meiner Mutter erzählt, die in ihrer Gegenwart anfingen mit „Davon hat doch keiner gewusst …  Das konnte doch niemand ahnen …“    „Quatsch!“ antwortete sie dann. „Wenn uns Kindern auf dem Land schon Angst vorm KZ gemacht wurde, kann das ja nicht ein so großes Geheimnis gewesen sein!“

Barbara Günster

 

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